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Was ist eine Autoimmunenzephalitis?

 

 

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Bei einer Enzephalitis handelt es sich um eine Entzündung unseres Gehirns.

Meist werden solche Entzündungen durch Infektionen (Viren, Bakterien, Pilze oder Einzeller) ausgelöst. Manchmal ist dieser Auslöser jedoch keine Infektion, sondern die fehlgeleitete Antwort der körpereigenen Abwehr, unseres Immunsystems. Wenn dieses beginnt, Antikörper gegen die eigenen Nervenzellen in unserem Gehirn, sogenannte Autoantikörper, zu bilden, spricht man von einer Autoimmunenzephalitis.Diese Erkrankungsform kennen wir noch nicht lange. Sie wurde 2007 zum ersten Mal beschrieben und unser Wissen über sie ist derzeit noch begrenzt.Die Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie forscht im Bereich der Diagnostik und Therapie von Autoimmunenzephalitiden.

Wir erhoffen uns damit die Ursachen dieser Erkrankungen besser zu verstehen, eine Autoimmunenzephalitis schneller und sicherer zu diagnostizieren und somit unseren Patient*innen in Zukunft besser helfen zu können.

Ansprechpartner für diese Erkrankung sind Dr. Marc Nikolaus & PD Dr. Ellen Knierim

Welche Beschwerden treten bei einer Autoimmunenzephalitis auf?

Das Krankheitsbild der Autoimmunenzephalitis ist vielgestaltig und umfasst eine breite Palette an Beschwerden.

Ein charakteristisches Symptom als Alleinstellungsmerkmal gibt es leider nicht.

So stellt die Diagnostik dieser Erkrankung v.a. bei Kindern eine große Herausforderung dar. Patient*innen leiden oft an neurologischen Störungen (Bewegungsstörungen, Hirnnervenausfälle, Krampfanfälle, Sprach- und Gedächtnisprobleme); manche Patient*innen zeigen deutliche Verhaltensänderungen bis hin zu schweren psychiatrischen Störungen (Halluzinationen, Psychose, Katatonie) und im späteren Verlauf unter Umständen eine Beeinträchtigung lebenswichtiger Körperfunktionen wie Kreislauf und Atmung. Den meisten Fällen ist ein akuter, d.h. plötzlicher Beginn und rascher Verlauf der Erkrankung gemein – manchmal nach einer einfachen Erkältung kurze Zeit vorher, oft aber aus völliger Gesundheit heraus.

Wie häufig treten Autoimmunenzephalitiden bei Kindern auf?

Insgesamt betrachtet handelt es sich um eine seltene Erkrankungsgruppe. Nichtsdestotrotz gewinnen Autoimmunenzephalitiden in der Neuropädiatrie zunehmend an Bedeutung, vor allem seitdem bei einer stetig wachsenden Anzahl an Kindern mit enzephalopathischen, epileptischen und psychiatrischen Symptomen eine behandelbare Autoimmunerkrankung festgestellt wird.Es handelt sich jedoch nicht um eine einzelne Diagnose, sondern eine ganze Gruppe an Krankheiten.

Der mit Abstand häufigste und bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist die sogenannte anti-N-Methyl-D-Aspartat Rezeptor Enzephalitis (NMDARE).Sie kann bei Patient*innen jeden Alters auftreten, ist bislang jedoch meist bei jungen Erwachsenen und Kindern diagnostiziert worden. Studien legen nahe, dass die NMDARE nach der akuten demyelinisierenden Enzephalomyelitis (ADEM, Link nach unten) die häufigste Ursache für eine immunologisch vermittelte Enzephalitis ist.

Andere Daten aus Patient*innengruppen mit unklarer Enzephalitis zeigen, dass die NMDARE Virus-bedingte Enzephalitiden bei Kindern in ihrer Häufigkeit sogar übertrifft. Genaue Zahlen zum Erkrankungsrisiko bei Kindern existieren derzeit aber noch nicht.

Was ist die Ursache einer Autoimmunenzephalitis?

Bei der Autoimmunenzephalitis handelt es sich nicht um eine einzelne Diagnose, sondern eine ganze Gruppe an Krankheiten, die jede für sich entsprechend charakterisiert und nach dem Autoantikörper benannt wird, der die Krankheit auslöst. Zum Beispiel wird die NMDA-Rezeptor Enzephalitis (NMDARE) durch Antikörper gegen N-Methyl-D-Aspartat Rezeptoren auf Nervenzellen in unserem Gehirn ausgelöst. Bis heute werden immer neue, zuvor unbekannte Autoantikörper gegen Nervenzellen in unserem Gehirn identifiziert, so dass die Zahl an einzelnen Diagnosen in dieser Gruppe zunimmt. Trotz der wachsenden Liste an identifizierten Autoantikörpern bleiben die zugrundeliegenden Ursachen, die sogenannten Pathomechanismen ungeklärt.

Alle Krankheiten dieser Gruppe sind insofern gleich, als die Autoantikörper an Eiweiße auf der Oberfläche unserer Nervenzellen binden und dadurch die Funktion von Stützproteinen, Kanälen und Rezeptoren dieser Zellen stören. Dadurch wird die für eine normale Hirnfunktion wichtige Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört, was zu Bewegungsstörungen, Krampfanfällen oder Verhaltensänderungen bis hin zur Psychose führen kann.

Abbildung: Untersuchungen in den Forschungslabors der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie: Immunreaktivität in der Liquorprobe eines Patienten mit dem Bild einer Autoimmunenzephalitis, nachgewiesen mittels Immunfluoreszenzfärbung einer Nervenzellkultur. Zu sehen ist eine Nervenzelle. Die unzähligen Synapsen an denen die Autoantikörper gebunden haben, sind grün angefärbt.

Wie kann eine Autoimmunenzephalitis festgestellt werden?

Nach unserem heutigen Verständnis ist eine Autoimmunenzephalitis durch den krankmachenden, pathogenen Autoantikörper definiert und benannt. Diese Autoantikörper können manchmal im Blut, meist jedoch nur im Liquor („Nervenwasser“, „Rückenmarksflüssigkeit“) gefunden werden.

Zur Diagnosestellung ist daher die Entnahme von Liquor durch eine Lumbalpunktion notwendig. Diese Untersuchung ist wird in einem kurzen und unkomplizierten Verfahren auf unserer kinderneurologischen Station durchgeführt. Der Liquor wird anschließend im LaborBerlin der Charité auf die häufigsten, heute bekannten Autoantikörper gegen Nervenzellen untersucht. Diese umfassen Antikörper gegen Hu, Ri, ANNA-3, Yo, Tr/DNER, Myelin, Ma/Ta, GAD65, Amphiphysin, Aquaporin-4, NMDAR, AMPAR, GABAAR, GABABR, LGl1, CASPR2, ZIC4, DPPX, Glycin-R, mGluR1, mGluR5, ARHGAP26, ITPR1, CARPVIII, Homer3, MOG, Recoverin, Neurochondrin, GluRD2, Flotillin, und IgLON5.

Darüber hinaus haben wir in den Forschungslabors der Neuropädiatrie die Möglichkeit mit Hilfe zusätzlicher Untersuchungen nach noch unbekannten Autoantikörpern im Liquor zu suchen. Diese genauere Analyse des Materials wird dann durchgeführt, wenn die Beschwerden der Patient*innen für eine Autoimmunenzephalitis sprechen, die oben genannten Routine-Labor Test aber negative Ergebnisse liefern. (siehe Abb.) Unsere hoch sensitive Testmethode (Immunfluoreszenzfärbung auf nativen Maushirnschnitten und in Neuronenkultur kann so innerhalb weniger Tage die Frage beantworten, ob es Hinweise für eine noch ungeklärte Autoimmunenzephalitis gibt und eine Therapie begonnen werden sollte.

Abbildung: Unsere Diagnostik bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis: Liquor („Nervenwasser“, „Rückenmarksflüssigkeit“) wird in einer Lumbalpunktion gewonnen und im LaborBerlin der Charité auf bekannte Autoantikörper gegen Nervenzellen untersucht. Bei negativem Befund suchen wir zusätzlich nach noch unbekannten Autoantikörpern. Mit unserer hoch sensitiven Testmethode (Immunfluoreszenzfärbung auf nativen Maushirnschnitten zeigt die grün leuchtende Bindung der Autoantikörper) kann so innerhalb weniger Tage die Frage beantwortet werden, ob es Hinweise für eine Autoimmunenzephalitis gibt und eine Therapie begonnen werden muss.

Warum kann eine Autoimmunenzephalitis für mein Kind gefährlich werden?

Eine Autoimmunenzephalitis ist fast immer eine plötzlich beginnende und schnell fortschreitende Erkrankung, die ohne Behandlung oft zu immer schwerwiegenderen neurologischen Ausfällen, Wesensänderungen und schließlich einer lebensgefährlichen Störung der Atem- und Kreislaufregulation führen kann. Durch eine rechtzeitige Behandlung kann den meisten Patient*innen aber geholfen werden. Obwohl wir noch wenig über diese Krankheitsgruppe wissen, legen Studien nahe, dass eine rasche Diagnosestellung und ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn einen günstigen Einfluss auf den Erfolg der Therapie und die Aussicht auf Heilung haben.

Die Autoimmunenzephalitis ist nicht nur aufgrund der schweren Symptome eine ernstzunehmende Erkrankung. In einigen Fällen geht sie, je nach Autoantikörper-Typ, mit verschiedenen Tumorerkrankungen wie Keimzelltumoren oder Lymphomen einher. Aus diesem Grund untersuchen wir unsere Patient*innen während des akuten Krankheitsverlaufs, in der Nachbehandlung und der ambulanten Verlaufsbeobachtung in unserem SPZ Neuropädiatrie in regelmäßigen Abständen auf diese Tumorerkrankungen.

Wie behandelt man eine Autoimmunenzephalitis?

Eine Autoimmunenzephalitis ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns, bedingt durch die fehlgeleitete Antwort unseres Immunsystems und krankmachende Autoantikörper.

Patient*innen mit Autoimmunenzephalitis sprechen daher in der Regel auf eine immunsuppressive Therapie an. Diese hat das Ziel die Produktion der krankmachenden Autoantikörper einzudämmen. Die größte Erfahrung haben wir heute mit der Therapie der NMDARE. Abgeleitet von der Behandlung dieser Erkrankung, erfolgt die Therapie der anderen, selteneren Autoimmunenzephalitiden.

Allgemein kann gesagt werden, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn und bei (ausbleibender Besserung) eine rasch intensivierte Therapie einen günstigen Einfluss auf den Verlauf und das Ausheilen der Erkrankung haben. In unserer Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie unterscheiden wir eine Erstlinientherapie mit hochdosiertem Steroidpuls, intravenösen Immunglobulin-Gaben, sowie Plasmapherese oder Immunadsorption und eine Zweitlinientherapien mit modernen Biologika wie dem Anti-B-Zell Antikörper Rituximab. Je nach Schwere des Krankheitsverlaufs werden beide Therapiesäulen nacheinander angewandt. Die gesamte Behandlung kann in der Kinderklinik der Charité durchgeführt werden.

Gibt es Aussichten auf Heilung?

Im Gegensatz zu vielen anderen kinderneurologischen Erkrankungen sind Entzündungen des Gehirns medikamentös gut behandelbar.

Autoimmunenzephalitiden sprechen in der Regel auf eine immunsuppressive medikamentöse Therapie bzw. eine Kombination aus klassischer medikamentöser Therapie, Verfahren der Blutfilterung wie Plasmapherese und zielgerichteten Therapie mittels Biologika an. Im Falle einer vorliegenden Tumorerkrankung muss auch diese frühzeitig therapiert werden, damit eine Autoimmunenzephalitis ausheilen kann. Etwa die Hälfte aller Patient*innen sprechen bereits auf eine Erstlinientherapie an und haben im Verlauf eine gute Prognose. Von den übrigen Patient*innen sprechen wiederum mehr als zwei Drittel gut auf die Zweitlinientherapie an.Insgesamt erholen sich ca. 80% aller Patient*innen mit Hilfe einer immunsuppressiven Therapie, einer Tumorresektion (falls erforderlich), symptomatischer Behandlung (z.B. der Krampfanfälle oder psychotischer Symptome) und intensiver Rehabilitation. Trotzdem ist der Genesungsprozess langsam und kann sich über viele Monate ziehen. Nach anfänglichem Rückgang der Krampfanfälle und Bewegungsstörungen und allmählicher Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und des Verhaltens, dauert es meist noch mehrere Wochen, bevor unsere Patient*innen wieder den Kindergarten oder die Schule besuchen können.Während der akuten Krankheitsphase werden die Kinder je nach Verlauf der Autoimmunenzephalitis auf der interdisziplinären Kinderintensivstation oder unserer kinderneurologischen Station versorgt. Nach dem stationären Aufenthalt vermitteln wir eine stationäre kinderneurologische Frührehabilitation mit erfahrenen externen Zentren.

Für die längerfristige Rehabilitation, anschließende Nachsorge und notwendige Verlaufskontrollen steht unseren Patient*innen im Anschluss das multiprofessionelle Team unseres SPZ Neuropädiatrie zu Verfügung.

Abbildung: Untersuchungen in den Forschungslabors der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Neurologie: Immunreaktivität in der Liquorprobe eines Patienten mit dem Bild einer Autoimmunenzephalitis, nachgewiesen mittels Immunfluoreszenzfärbung auf unfixiertem Maushirnschnitt. Zu sehen ist der Hippocampus im Sagittalschnitt eines Maushirns. Das  dichte Netzwerk an Nervenzellen an denen die Autoantikörper gebunden haben, leuchtet grün.

Probandensuche

Liquor-Screening bei V.a. Autoimmunenzephalitis

Relevanz neuronaler Autoantikörper für neurologische Erkrankungen im Kindesalter

Eine screening Studie für Kinder jeden Alters, bei denen während einer stationären Behandlung in unserer Klinik eine Lumbalpunktion erforderlich ist.

Eingeschlossen werden können Patient*Innen unter 18 Jahren, bei denen während einer stationären Behandlung in unserer Klinik eine Lumbalpunktion erforderlich ist.

Der Anstieg der Fallzahlen bei der NMDA-Rezeptor Enzephalitis innerhalb der letzten 10 Jahre zeigt, dass Autoimmunenzephalitiden eine neue bislang unterdiagnostizierte Gruppe von Erkrankungen darstellen. Dies gilt im Besonderen für die Kinderheilkunde. Gleichzeitig handelt es sich bei zahlreichen schweren Verläufen mit psychiatrischen Symptomen, Krampfanfällen oder lebensbedrohender Entgleisungen des Herzkreislaufsystems um therapierbare Erkrankungen. Die Prognose ist dabei stark abhängig von einer frühzeitigen Diagnosestellung und raschem Beginn einer immunsuppressiven Therapie. Mehr Wissen um die Ursachen dieser Erkrankungen sowie neue Diagnosewerkzeuge sind daher notwendig um Patienten mit Autoimmunenzephalitiden schnell erkennen und behandeln zu können. Mit dieser Studie soll die Häufigkeit und Relevanz von neuronalen Autoantikörper bei Kindern untersucht werden, um die bisher vorhandene Diagnostik zu verbessern und diese Krankheitsgruppe genauer zu verstehen.

Ansprechpartner:

Dr. Marc Nikolaus

Klinik für Pädiatrie m. S. Neurologie

13353 Berlin Augustenburger Platz 1

interne Adresse: Mittelallee 8, Kinderklinik Station 28, 3. Etage

Tel. +45 30 450 566 455